In Horchheim ist Hans Lehnet eine zentrale Figur, wenn es um die Erforschung und Dokumentation der Ortsgeschichte geht. Als Gründungsmitglied der Heimatfreunde Horchheim und Autor mehrerer bedeutender Schriften im Selbstverlag hat er sich über viele Jahre hinweg leidenschaftlich für die Bewahrung des lokalen Erbes eingesetzt.

Kürzlich hatten der 1. Vorsitzende Andreas Weber und die 2. Vorsitzende Mechthild Hof die Gelegenheit, Hans Lehnet im Seniorenheim in Horchheim zu besuchen. Diese Begegnung war nicht nur herzlich, sondern auch eine Anerkennung seines tiefen Engagements und seiner profunden Kenntnisse zur Geschichte des Ortes. Hans Lehnet hat den Heimatfreunden zwei Aktenordner mit Unterlagen zur Horchheimer Ortsgeschichte übergeben, die nun im Ortsmuseum der Heimatfreunde archiviert werden sollen. Dafür bedankt sich der Vorstand ganz herzlich.

Die Heimatfreunde Horchheim entdeckten im Archiv ihres Ortsmuseums Minidiscs mit Interviews aus den Jahren 2000 bis 2008, die der damalige Vorstand mit Horchheimer Persönlichkeiten geführt hat, die ihre Lebensgeschichten teilen. Das Interview mit Hans Lehnet, das von Jochen Hof geführt wurde, bietet einen tiefgehenden Einblick in sein Leben und die Geschichte Horchheims.

Es beginnt mit seiner Kindheit, und führt über Schule und Jugendliebe durch die turbulenten Kriegsjahre als Luftwaffenhelfer bis hin zur Kapitulation und zu den Herausforderungen der Nachkriegszeit. Lehnet spricht über seine Ausbildung zum Fleischer, die Umstellung der Währung und seinen Aufstieg zum jüngsten Fleischermeister Deutschlands. Weiterhin beleuchtet er sein Engagement in der Kolpingfamilie, seine Leidenschaft für das Schreiben und die digitale Archivierung historischer Dokumente. Zum Abschluss erzählt er von seiner Arbeit im Pfarrarchiv und seinen Plänen zur weiteren Dokumentation der Ortsgeschichte.

Die am 18. Mai 2008 von Jochen Hof im Ortsmuseum der Heimatfreunde Horchheim angefertigte Aufnahme wurde 2024 transkribiert und bearbeitet.

Hans Lehnet ‒ Ein Leben in Horchheim

˃ So, lieber Hans, heute ist Montag, der 18. Mai 2008. Ich sitze hier beim Hans Lehnet in der Gut Stuff und der soll mir jetzt ein bisschen erzählen aus seinem bewegten Leben.

Emser Straße 395

˃ Hans, wann bist du geboren?

Ich bin am 3. Oktober 1928 in Niederlahnstein geboren.
In Niederlahnstein, weil da das Krankenhaus war. Heute ist da die Grundschule in der Bergstraße. Die Eltern wohnten hier in der damaligen Hauptstraße Nummer 13, heute Emser Straße 395.

˃ Das ist das alte Haus, was ihr vor drei, vier Jahren verkauft habt, neben dem von Eyßschen Anwesen.

Ja, es gehörte dazu. Ist ein Flügel davon.

˃ Dein Vater war auch schon Metzger.

Mein Vater war ursprünglich Mühlenbauer.
Und mit seinem Vater, also meinem Großvater zusammen, hatte er die Löhnberger Mühle umgebaut. Zweimal. Anfang der 1920er Jahre, 23, kann auch 24 gewesen sein. Und dann, zwei Jahre später, noch einmal 1928, 27 muss es gewesen sein. Da wurde sie umgestellt. Erstmal fiel die ukrainische Weizenlieferung aus und die Mühle war darauf eingerichtet und musste dann umgestellt werden auf amerikanischen Weizen, das war natürlich wieder was ganz Anderes. Ja, die hatten einen anderen Klebergehalt und der ist ja wichtig fürs Brotbacken.
Ja, und dann hat mein Vater meine Mutter kennengelernt. Er ist dann hier geblieben, hat umgeschult auf Metzger, hat die Lehre gemacht, der Ehrenbreitsteiner, Kaufmann hieß er, der war Prüfungsmeister, da die Gesellen- und Meisterprüfung abgelegt. Das war 1936.

˃ Du hast doch noch Geschwister gehabt.

Eine Schwester noch, die Leni.

Kindergarten

˃ Warst du im Kindergarten? Oder gab es so was nicht?

Doch, es gab den Kindergarten. Ja, das ist ein hochtrabender Name dafür. Er hieß früher Verwahrschule. Das war genau uns gegenüber auf der anderen Straßenseite, im heutigen Kloster, in einem rückwärtigen Gebäude. Unten waren Stallungen, Schweinestallungen, im ersten Stock, also Parterre dann also, von unten gesehen der erste Stock, es ging eine Schräge runter, und im ersten Stock war die Verwahrschule, und da drüber war die Nähschule.

˃ Aber von Schwestern geleitet.

Nur von Schwestern geleitet. Dernbacher Schwestern waren ja in dem Haus drin.

˃ Vorher waren Kaiserswerther Diakonissen da irgendwann?

Die waren da unten in dem Mendelssohn. Nicht hier oben, Mendelssohn war das. Natürlich waren da auch weltliche Aushilfen da, von Kindergärtnerinnen kann man da nicht reden. Heute muss ja alles studiert sein.

˃ Richtig.

Früher ging es ohne das mindestens mal genauso gut. Aber es sind andere Anforderungen, darüber kann man nicht streiten.

Schule

˃ Du kamst dann in die Schule.

Hier in 1934 in die Volksschule, bis 1938. 39 kam ich nach Oberlahnstein aufs Gymnasium. Das war die Oberschule für Jungen, so hieß sie, war aber gymnasial ausgerichtet, altsprachlich zu der Zeit. Es gab es noch Latein und Griechisch, Mathematik, Physik, Chemie und was alles dazugehört, alte Lehrer noch, alles. Und nach dem Dritten Reich, da wurde sie für Mädchen geöffnet. Die Mädchen kamen dann in die Oberschule für Jungen. Und da war der Name schon wieder anders. Heute ist da die Volkshochschule am Schillerpark. Das war das ursprüngliche Gymnasium von Oberlahnstein.

Gymnasium

˃ Wann bist du dahin übergewechselt?

39 muss das gewesen sein.

˃ 39. Und es fing ja gerade der Krieg an.

Ja, der Direktor war Herr Röhm. Er wurde auch kurze Zeit später eingezogen zur Luftwaffe, diente als Major bei Frankfurt. Er ist ums Leben gekommen durch eine Luftmine. Er hat sich außerhalb des Bunkers gerade mal kurz aufgehalten und da hat es ihn erwischt.

˃ 39 als der Krieg begonnen hat, hast du am Gymnasium angefangen. Die ersten Klassen Sexta, Quinta, Quarta.

Erste, zweite, dritte Klasse, vierte Klasse. Die anderen, die griechischen oder lateinischen Namen, waren verpönt. Wir waren ja deutsch.

˃ Ach so, ja. Also als erste Fremdsprache habt ihr Latein gehabt?

Nein, Englisch. Erste Fremdsprache war Englisch, oh ja. Und die erste Englischlehrerin, die wurde zu Kriegsbeginn direkt eingezogen. Als Dolmetscherin zur Wehrmacht. Da kamen Jüngere nach. Ich weiß nicht mehr, wie sie hießen. Ich glaube Schmidt-Phiseldeck, die kam aus Ostpreußen. Das war übrigens eine sehr, sehr gute Deutschlehrerin. Die hat uns Deutsch beigebracht. Wirklich wahr.

˃ Also erste Fremdsprache englisch, dann …

Latein.

˃ Im Dritten kam Latein dazu.

Ja.

˃ Und in der Fünften Französisch?

Nee, da waren wir schon bei den Luftwaffenhelfern. Französisch war nicht angesagt.


Die tollen Vaterlandsverteidiger

˃ Da warst du im Jahr 44 …

Luftwaffenhelfer? Ja.

˃ Wo? Hier in Horchheim.

Wir wurden 44 eingezogen. Zur Flakkaserne in Niederberg. Als Luftwaffenhelfer. Irgendwo muss man ja schlafen, gell?

˃ Wie alt warst du da grad?

15, mit 15 gemustert worden. Mit 16 eingezogen. Die tollen Vaterlandsverteidiger. Und da sind wir ausgebildet worden an einer Beute-Flak. Russische Beute-Flak 3,7 Zentimeter. M 39 AR, AR heißt abgeänderte russische Kanone. Es wurden nur die deutschen Beschriftungen drauf gemacht. Der Rest war eine ganz hervorragende Waffe, weitaus besser als die deutsche Drei Sieben. Die war zu kompliziert, zu viele Einstellmöglichkeiten und mit zu viel Hemmungen verbunden.

Mainz

˃ Das war 44.

Das war 44, und danach waren wir drei, vier Monate zwischen Kemperhof und Marienhof auf dem Moselweißer Feld in Baracken mit drei Kanonen. Wir waren der dritte Zug. Der erste Zug war oben auf der Ehrenbreitstein, der zweite, muss ich nachsehen. Und später kamen wir nach Mainz, zur schweren Flak. Wir sind in der Rheingauwallkaserne umgeschult worden. Die Batterie, Großkampfbatterie, lag in Bretzenheim. Dann kamen wir zum Einsatz nach Bischofsheim als Vorfeldbatterie zum Opel. Zwischen Opel und Gustavsburg war die MAN, und von da aus ging es weiter nach Ginsheim zur 10,5 Zentimeter schweren Flak.

Ich selber war an den beiden Batterien in der B1, in der Feuerleitstelle am Kommandogerät 40. Das war das Nonplusultra im Zweiten Weltkrieg, was Besseres gab es einfach nicht. Geringe Bedienung und ein Rechengerät. Einfach, die Kurvenkörper haben die Werte eingegeben. Da konnten wir die Winkelfunktionen an den Uhren ablesen, da die Mathematik ziemlich einfach war.

Luftangriffe

˃ Da waren doch schon Luftangriffe in der Zeit.

Ja, klar. Da fingen die so langsam an. Aber das ging noch alles. Richtig rund ging es 1944, Mitte 44, da ging es rund. Ja, und da hatten wir auch die ersten Einsätze, die ersten Kampfhandlungen und das war manchmal grausig. Das hat einen doch wirklich geprägt. Ja, wir waren einmal dabei gewesen. Sie hatten einen Verband aufgefasst. Zielanflug auf Batterie, Bombenklappen öffnen sich. Und dann kamen sie schon runter gerauscht und der Bombenteppich ging total über uns nieder. Auf der anderen Straßenseite war ein leichter Zug mit zwei Zentimeter Vierling. Daneben war, muss man dabei sagen, der Verschiebebahnhof von Bischofsheim. Großer Verschiebebahnhof. Und da wurden auch von Opel die Motoren, die sie hergestellt hatten, Luft- und Flugzeugmotoren, verladen. Ja, und das war natürlich ein lohnendes Ziel für sie.

Der erste Angriff. Da hatten wir die Maschine abgeschossen, zum Leidwesen von Königstädten, da ging der ganze Salat hin. In Königstädten hat kein Stein mehr auf dem anderen gestanden. Ja, der zweite und dritte Angriff auf Opel. Nach dem zweiten Angriff hat man die Maschinen aus dem Opel Werk rausgeholt zum Versand. Der dritte Angriff, der ging direkt hinein in die Verlademaschine. Und natürlich muss man dabei sagen, die hatten viel, viel Ostarbeiter, Fremdarbeiter, besser gesagt, Russen, Ukrainer und Franzosen und Polen, alles Mögliche. Und die waren in Baracken untergebracht.

Und das waren immer Nachtangriffe von Engländern. Die warfen sinnigerweise erst mal Luftminen, damit alles zusammengeschmissen worden war und dann Brandbomben hinterher rein, die in die Lager hinein gelten. Die Leute sind dann an uns vorbeigezogen, kamen in die Batterie, um zu verbinden. Ja, wir waren ja kein Verbandplatz, Sie sind weitergeschickt worden. Neben uns am Rand einer Siedlung hat es gebrannt. Unsere Kanoniere sind zu den Häusern gelaufen, haben gerettet, was zu retten war, und wir haben munter weitergeschossen.

Letzte Kriegstage

˃ 45, nach der Kapitulation, wo warst du da?

Wir sind, also ich bin 1945 entlassen worden, weil ein Jahr begrenzt war. Das war überhaupt so ein ganz, ganz krummes Ding mit den Luftwaffenhelfern. Nach der Haager Landkriegsordnung war das wohl nicht zugelassen. Der Reichsjugendführer Baldur von Schirach hat sich dagegen gewandt. Aber die Partei war stärker. Sie sind dort eingezogen worden. In der Heimat sollten sie eingesetzt werden, sind noch eingesetzt worden, am liebsten ortsnah, was in den seltensten Fällen geglückt war. Die Schule sollte weitergeführt werden. Das war das nächste Ding. Wie soll das gehen? Unterricht hatten wir dann im Eichendorff-Gymnasium in Koblenz.

˃ Ja, und wo warst du am 8. Mai 45, hier in Horchheim?

Ja.

˃ Wie war das örtliche Leben hier im Dorf während der letzten Kriegstage?

Ja, das war ziemlich beschissen, denn die letzten Kriegstage war starker Artilleriebeschuss. Die ersten Wochen, als die Schießerei anfing, gingen mit Granatwerfern. Das war noch ziemlich harmlos, wenn man so sagen will. Obwohl der Franks Harry, noch einer von der Von-Eyß-Straße, dabei umgekommen ist. Dann, in den letzten zwei, drei Tage, haben sie mit schwerer Artillerie hinten ins Dorf geschossen. War schätzungsweise 15 Zentimeter und da gab es einige Verluste. Die Horchheimer Volksschule hat was abgekriegt, paar Treffer, das Krankenhaus, hat ein paar Treffer abgekriegt an der Westwand. Wir haben einen Treffer in das Dach gekriegt. Das war dann ziemlich zusammengefallen. Ja, und der Saal oben, die Scheuer. Da ging einer rein, hier beim Pink ging einer rein.

˃ Und ins Arense Haus auch?

Kann sein. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was hier in der Gegend war.

˃ Und da war an Unterricht, Schule, oder so nicht zu denken.

Namentlich war gar nichts mehr hier. Weit nach dem Krieg kam erst die Schule wieder.

Kapitulation

˃ Und während der Kapitulation kamen die Franzosen oder die Engländer?

Die Amerikaner. Ich hatte auf der Straße gestanden, da kamen sie die heutige Von-Eyß-Straße hochgefahren und sind dann durchs Dorf, haben gefragt, wo der …

˃ … Bürgermeister ist.

Ja, so ungefähr wohl. Wir haben sie dann runter geschickt zum Tunnel und da ging es dann weiter. Dann kamen dann Zug auf Zug von den Amis, die haben Schokolade auf die Straße geworfen, Zigaretten auf die Straße geworfen. Für die Kinder, gell.


Fleischer-Lehre

˃ Wie ging die Schulzeit nach dem Krieg weiter?

Ja, da war für mich die Schulzeit zu Ende. Es hieß dann von zu Hause aus, Geschäft ist da und muss gemacht werden. Ich wollte weiter studieren, also weiter machen zum Abitur. Dann hieß es, ja, das geht natürlich nicht. Ich hatte mich schon angemeldet gehabt in Oberlahnstein, aber die Verhältnisse waren eben stärker, gell?

˃ Da hast du eine Lehre gemacht, Fleischer-Lehre.

Fleischer, Lehre zu Hause, ja, zu Hause.

˃ Im eigenen Betrieb.

Zwei Jahre Lehrzeit. Ein Jahr ist mir geschenkt worden.

˃ Weil du am Gymnasium warst.

Ja, warum auch immer. Wahrscheinlich war es so und ja, Lehrer Stein, Berufsschullehrer Stein, der war für uns zuständig. Die Berufsschule, die war in der Moselweißer Grundschule, Volksschule. Ich konnte zu der Zeit schon Auto fahren. Dann ging das noch einigermaßen.

Zigarettenwährung

˃ Und nach dem Krieg waren die amerikanischen Zigaretten eine gute Währung.

Das war die Zigarettenwährung. Ja, klar, das zählt. Und sonst nichts. Gesucht war noch Fett, Mehl auch, aber eher noch Fett und Zigaretten. Das war die Währung.

˃ Und ihr hattet da zu Hause schon die Metzgerei?

Ja, doch. Die ging durch.

˃ Ihr habt ja immer Meister oder Verkaufspersonal oder Schlachtpersonal gehabt?

Immer selber.

˃ Ja. Und wo habt ihr denn die Metzgerei hergekriegt, beziehungsweise das Fleisch zum Schlachten, Kühe zum Schlachten oder Schweine?

Wir waren Fleischer, so genau kann ich nicht mehr sagen, aber eins weiß ich sicher: Als die Amis da waren, wurde in Vallendar das Vieh aufgetrieben und ist dann zugeteilt worden. Wir hatten zum Beispiel in Horchheim ein Stück Vieh bekommen, von Vallendar hier hin. Wie willst du das hinkriegen.

˃ Durch die kaputten Straßen.

Ja, von wegen, ein Ami hat mich angehauen, mit einem Fahrzeug. Da haben wir die Kuh drauf gebracht, er hat sie hier hingefahren und dann ist die hier geschlachtet worden. Es war ziemlich, es gab keinen Strom, es gab kein Wasser. Es gab gar nichts, gell? Das Wasser hatte die Feuerwehr, naja Feuerwehr gab es ja auch noch nicht. Der Ortsgewaltige, der hatte einen Kessel mit Wasser, viel Wasser, auf unsere Rauchkammer gestellt. Denn die Kühlmaschine musste ja laufen, und die brauchte zum Kühlen Wasser. Und als Antrieb haben wir einen kleinen Deutz Diesel gehabt … kein Diesel, war ein Benzinmotor.
Und damit kamen wir dann so einfach über die Runde, was sonst per Handarbeit gemacht wurde. Das Nötigste ist eben nur gemacht worden, denn weder großer Wolf, noch Kutter, noch Füll-Maschine, die war ohnehin von Hand, konnten in Betrieb gesetzt werden. Man war ja froh, dass wenigstens die Kühlmaschine gelaufen ist. Das ging auch nur eine Zeit lang.

Anhänger voll Eis

Später ist dann Eis geholt worden, aus Eisfabriken in Königsbach. Da haben wir Anhänger voll Eis geholt. Die Horchheimer Brücke, die war nicht da, rüber gekommen sind wir in Ehrenbreitstein, da sind wir rübergefahren, richtig. Auf dem Rückweg, da war es so voll, da konnten wir gar nicht weiter. Da sind wir runter nach Remagen. Da hatten die Amis eine Brücke gehabt und da sind wir rübergekommen. Und natürlich, was ist los, gell. Als die das Eis gesehen haben war die Sache ziemlich einfach, gell.
Da war noch, ja, da sind Zigaretten vertauscht worden, da ist Tabak vertauscht worden, die noch überall gelagert waren. Die sind dann in die deutschen Hände gefallen, klar, und was nicht geplündert worden ist, ist verteilt worden. Hier das Proviantlager ist geplündert worden.

˃ Wo war das?

Da unten am Rhein.

˃ In Lahnstein

Ja, neben dem Maximilians.

˃ Wehrbereichsverwaltung.

Ja, richtig. Und da sind Sie mit Wagen voll Zeug heimgefahren. Ich könnte die Namen noch nennen, von denen, die wagenweise das Zeug weggefahren haben. Na gut.

Währungsumstellung

˃ Und 47 gab es das neue, 48 gab es das neue Geld?

Ja.

˃ Und da hieß es auf einmal, so kann ich mich noch ganz dunkel erinnern, es gibt neues Geld. Jetzt kann man wieder alles kaufen.

Ja, richtig.

˃ War das wirklich so?

Da war so, ungefähr, wollen wir mal so sagen, man soll es nicht übertreiben. Denn ist ja nicht so, dass man einfach den Schrank auf, das Zeug hinstellt, so war es natürlich nicht. Jedenfalls am Sonntag war Währungsumstellung. Geschäfte mussten sonntags aufhaben, damit die Leute noch mit dem alten Geld kaufen konnten. Ja, das war natürlich so gesehen eine Schikane, aber andererseits mit dem neuen Geld ging es natürlich spürbar aufwärts.

Gehortet wurde, das weiß ich, das ist klar. Es wurde Wein gehortet. Einer hat Schrauben gehortet über den Krieg über und hat in die Zeitung geschrieben, Schrauben zu verkaufen. Das blöde Finanzamt liest das natürlich schon vorher, der Gewinn auch schon wieder weg. Das Ding ist einfach passiert, gell, unter offenem Namen hatte er inseriert, das war natürlich fahrlässig.

˃ Ich war damals sechs und habe meiner Großmutter immer ein Rucksäckelchen voll Kartoffelschalen, einmal die Woche, in die Burgstraße gebracht, in Betzdorf. Und da sagt die, es gibt neues Geld. Hier hast du einen Groschen. Das waren die kleinen blauen Scheinchen.

Ja, richtig.

˃ Und dann holst du dir ein Eis. Da bin ich zum Bäcker gegangen und da kriegte ich so einen richtigen Eisklotz zwischen zwei Eiswaffeln, ich konnte gar nicht so schnell lecken wie der fort war. Das war meine erste Begegnung mit neuem Geld.

Ja, sicher das war erst alles ein bisschen knapp, das ist ja logisch, gell.


Meisterschule

˃ Und du musstest doch normalerweise drei, vier Jahre Lehrzeit machen, beziehungsweise Gesellenzeit machen, ehe man den Meister machen konnte.

Ja gut, es war nach Ländern unterschiedlich. Es war keine bundeseinheitliche Regelung. Hessen hatte drei Jahre Pflichtlehrzeit, Rheinland-Pfalz hatte fünf Jahre Pflichtlehrzeit bis zur Meisterprüfung. Da ich aber so schnell als möglich hinter mich bringen wollte, bin ich nach Hessen, nach Offenbach, in die Meisterschule und habe da die Meisterprüfung gemacht.

˃ Von hier aus, nach Offenbach.

Offenbach, Ja.

˃ Täglich gefahren, oder nee.

Nee, da habe ich eine Wohnung gehabt. Privat untergebracht bei einem Drucker, der war bei heute MAN Roland, Faber & Schleicher hieß es früher.

˃ Warst ein möblierter Herr.

Jüngster Meister Deutschlands

Und zu der Zeit schrieb dann eine Weilburger Zeitung, ich sei der jüngste Meister Deutschlands gewesen, Fleischermeister wahrscheinlich, gell. Und zwar hat mir das gezeigt, den Zeitungsausschnitt, der Müllers Franz. Da kam er stolz in den Laden rein, hier, guck mal, du stehst in der Zeitung drin.

Sandkastenliebe

˃ Dann hast du irgendwann deine Frau kennengelernt.

Ja, die habe ich in der Volksschule schon kennengelernt.

˃ Ach ja?

Im gleichen Jahrgang. Ja.

˃ Also Sandkastenliebe.

14 Tage auseinander. Sie ist 16.09.28, ich 03.10.28. Ja, und nach Oberlahnstein gingen wir auch zusammen. Und hinterher haben wir uns eigentlich nie aus den Augen verloren. Jeder ist mal bisschen eigene Wege gegangen, aber immerhin wieder zusammengefunden.

˃ Und wie kam sie in die Metzgerei, deine Frau Luise?

Ja, das war natürlich ein Problem. Die Horchheimer haben alles Mögliche prophezeit, nur nichts Gutes. Lehrerstochter und Metzger, Das geht doch nicht gut. Das kann nicht gut gehen. Es ist gut gegangen. Bis heute.

˃ Bis heute.

Ja. Oje! Die alten Tratschweiber. Ja, die haben sich die Zähne zerrissen.

Lehnet und Sohn

˃ Und du hast den Betrieb übernommen, den Betrieb deines Vaters.

Ja. Wann? Ja, wann müsste ich nachsehen.

˃ Das war in den 50ern.

Ja. Mitte 60, 70 ist Lehnet und Sohn als, ja und dann später ganz übergegangen.

˃ Ihr hattet fünf Kinder. Und von denen wollte keiner in die Metzgerei?

Nein, ich habe auch keinem zugeredet. Nee, nee. Das ist das Falscheste, was man machen kann. Die Kinder sollen selber entscheiden, was ihnen Spaß macht. Da kommt doch was Gescheites bei raus.

˃ Bei dir ist ja auch was Gescheites bei rumgekommen.

Ja, sicher, Das ist richtig. Bin gezwungen worden.

Ja gut. Ich habe versucht das Beste draus zu machen. Das muss man schon dann machen. Es hilft ja alles nichts. Natürlich immer wieder Fortbildungslehrgänge besucht. Das geht gar nicht anders, gell? Mit dem Erreichten komme ich ja nicht weiter. Immer wieder kommen neue Bestimmungen hinzu, neue Verfahren. Und wenn man das nicht kann, dann kommt man ins Hintertreffen. Das hilft nichts, das geht in jedem Beruf so!


Kolpinghaus

˃ Ja, dann ist ein ganz großer Lebensabschnitt bei dir geprägt worden durch die Kolpingfamilie. Wie bist du da drangekommen und wie kommt man da hin?

Wie kommt man da dran? 1949, 48, 47, direkt nach dem Krieg wurde die ja in der Sakristei zusammengefasst, da sind wieder interessierte Jungen zusammengerufen worden vom Pfarrer Luxem. Das waren zuerst mal die Messdiener. Und dann, Kolping war ja von früher her, und ist eben neu gegründet worden. Ich war bei den Gründungsmitgliedern auch dabei, kam ja so eigentlich sofort mit in den Vorstand. Eigentlich, ja, und es ging dann immer wieder weiter. Mit vielen Auf und Ab, das ist klar, ja weiter.

˃ Ist das Kolpinghaus schon bewirtschaftet worden, oder? Das war ja kaputt, soweit ich weiß, nach dem Krieg.

Waren nur noch die Außenmauern dagestanden, innen drin war ausgebrannt. Da waren noch die ganzen Unterlagen, die die Gestapo nicht mitgenommen hat. Die sind dann verbrannt worden. Also, Unterlagen von vor dem Krieg sind kaum noch da. Was zufällig gerettet wurde, ist, aus welchen Gründen auch immer, ist da, aber im Grunde genommen ist nichts mehr da. Die Protokollbücher und das Vereinsleben betreffend ist nichts mehr da. Ja, das ist dann aufgebaut worden. 1952 war es soweit fertig, das ist auch alles nachzulesen.

Vorsitzender

Und dann war ich, zum ersten Mal als Vorsitzender gewählt. Senior hieß das zu der Zeit. Das war ich bis zu meiner Verheiratung 54. Ein verheirateter Senior war nicht zulässig, also ab damit. Und dann ging es weiter, für die verschiedenen Häuser ist gewechselt worden, die Namen weiß ich nicht mehr, jedenfalls nicht geläufig, aber sie sind notiert.

Und 62 gingen die ziemlich am Boden, da kamen die veraltet zu mir. Das war Feldkirchner. Es war der Arthur, Wills Arthur, er ist tot. Das sind ein paar Alte, die machen dann Himmelswillen, hilf uns mal wieder aus der Not heraus, so kann’s nicht weitergehen, wir helfen dir. Die erste Generalversammlung. Ich mache das, wenn ich mir den Vorstand selber zusammenstellen darf. Das ist die einzige Bedingung. Das habe ich natürlich gemacht. Und hat auch keiner gegen gemeckert.

Nur es gab da einen Stammtisch, der hat sie nacheinander abgeschossen. Ist nicht zu fassen, aber es war so. Das war der zweite Vorstand, der das große Sagen hatte. Wer sich mit dem nicht gutgestanden hatte, der war schon geliefert. Ja, und dann ging das bis 69, da hatte ich wieder mal die Nase voll. Da bin ich zurückgetreten bis 1979. Da war es wieder mal so ein Tiefpunkt gewesen. Ja, gut, da habe ich wieder angepackt. Der Vorstand war, so wie er da war, schon in Ordnung.

Erwachsenenbildung

Und dann ging da mehr auf die Bildungsebene. Mit dem, wie hieß das in Koblenz, nicht Berufsbildungswerk. Ach, wie hieß es doch schnell, mit Pfeiffer, Erwachsenenbildung, katholische Erwachsenenbildung KEB. Mit denen habe ich viel zusammengearbeitet und da kam auch was Ordentliches zusammen. Und da hatten wir auch die Ehrenmedaille der Erwachsenenbildung, hat man mir dann verpasst, hat der Bischof in Trier mir überreicht. Mit anderen natürlich auch, war nicht der einzige.

˃ Und du bist doch für was weiß ich wie viele Jahre Kolpingmitgliedschaft geehrt worden?

Einmal für 25 Jahre die silberne und dann für 50 Jahre die goldene Nadel. Also, Mitgliedsnadel.

˃ Und bist du auch Ehrenmitglied?

Ehrenmitglied, ja. Da ist es. Ehrenmitglied und Ehrenvorsitzender der Kolpingfamilie, die Ehrenmitgliedschaft des Kolpingwerkes und Ehrenvorsitzender der Horchheimer Kolpingfamilie.

˃ Das war 2002.

Ja, das mag sein.

˃ 8. Dezember 2002. Am Kolpinggedenktag.

Richtig, er weiß es.


˃ Und als du dann emeritiert bist, die Metzgerei an den Nagel gehängt hast, da hast du dich dem Schreiben gewidmet. Oder schon vorher dem Schreiben?

Ja, eine Sekunde, bitte. Ja, und zwar. Das erste Produkt, hier ist es. Horchheim zwischen gestern und heute. Und zwar habe ich zum ersten Mal die Geschäfte rausgesucht, die in Horchheim waren. Hier sind sie dann 49 bis 89. Dazu habe ich von allen Kirmeszeitungen, die dann erschienen waren, die Annoncen raus geschrieben, die sortiert nach den einzelnen Gewerken.
Ja, und als ich dabei war, kam der verstorbene Andreas, Mensch Vater, das kannst du doch so nicht machen. Ich bring dir einen kleinen Computer und dann machst du das damit, ist doch viel einfacher. Ja, ich habe mich überzeugen lassen. Wie hieß der älteste, Atari nicht. Nicht Atari?

˃ Man kommt gleich drauf.

Ein kleiner Computer war das, damit habe ich dann angefangen, aufzunehmen. Das war dann der Anfang. Und das war im Jahre 1992. Das waren die ersten Anfänge. War schon weit vor Geschäftsaufgabe.

˃ Ach, das war vor der Geschäftsaufgabe.

Ja klar. 2000 habe ich das Geschäft aufgegeben, das hier war 92. Und dann ging das immer so ein bisschen weiter, immer wieder aufgerüstet, nachgerüstet mit der Computerei, und so langsam reingewachsen.

Pfarrarchiv

˃ Dann fällt mir ein Stichwort Pfarrarchiv ein. Was kannst du dazu sagen? Pfarrarchiv.

Pfarrarchiv.

˃ Dazu kommt man doch nicht so wie die Jungfrau zum Kind, oder?

Ja, mein Gott. Pfarrarchiv, ja. Wer auf die glückliche Idee kam, mich da vorzuschlagen, kann ich dir nicht sagen. War es der Wellings Josef, ich meine schon. Ja, das Pfarrarchiv, den Namen hat es zu der Zeit nicht verdient. Das war ein Konglomerat von, kann ich dir sagen, von 16 laufende Meter. 16 laufende Meter Akten. Und dann kann man natürlich nicht jede von brauchen. Die mussten sortiert werden und ich hatte die Fachkenntnis natürlich auch nicht.

˃ Aber du warst immerhin Meister.

Ja, schon, aber kein Meister im Archivwesen, ganz gewiss nicht. Auch da braucht man eine fundierte Ausbildung. Und da muss ich schon sagen, ohne Latein bist du hilflos. Ja, und dann geht es in alle Kirchenbücher, die sind in Latein geschrieben, alle Totenzettel, alle Berichte, alles in Latein, die Visitationsberichte, alle in Latein. Wir waren kürzlich noch mal in Trier gewesen und haben die, ziemlich von Anfang an, Visitationsberichte durchgesehen. Alles in Latein. Bisschen Latein konnte man auch, so konnte man ungefähr den Sinn mal rauskriegen, was gemeint ist, aber mehr auch nicht.

˃ Pfarrarchiv, weißt du noch, wann das war, wer das Amt vom Pastor damals war? War es der Johannes Rochwalsky?

Später. Müsste Thomas Gerber gewesen sein.

1999

Stand Geschichte. Um 2000 rum. Ja, hier am 13. Juli 1997, im Pfarrarchiv, lagern die Akten. 15 laufende Meter. Der Rücktransport 1999 von Trier. Das ganze Konglomerat ging erst nach Trier von hier aus, weil die Trierer das zentral machen wollten für alle Pfarreien, denn die Pfarrarchive waren im desolaten Zustand. Entweder waren die Akten in der Kiste, in der Sakristei oder im Keller oder im Speicher, aber nicht da, wo sie eigentlich hingehörten.

Und ja, zwölften März 1999. Und dann kamen die ja zurück, 1999, März 99. Und dann ging das dann so peu à peu, die Aufarbeitung mit Herrn Nicolay vom Bistumsarchiv Trier. Der hat Hilfestellung geleistet, der hat auch einen Aktenplan mitgebracht, denn jede Akte, die muss nach Aktenplan signiert werden. Ist natürlich nicht immer ganz einfach. Aber immerhin, er hat nachgesehen, wir haben uns geeinigt, was zu machen ist, musste einiges aussortiert werden, was eigentlich wirklich unbrauchbar war und völlig wertlos ist. Auch Schriften, die völlig uninteressant waren, die 1000-fach sowieso überall rumgeistern, die brauchen wir nicht noch mal hier zu haben, archiviert zu werden. Jedenfalls, was für Horchheim interessant ist dann, ist da.

Pfarr-Computer

˃ Und die hast du größtenteils dann mit dem Computer verarbeitet.

Die gingen direkt in den Computer. Ja, das heißt, die Anfänge sind in Trier gemacht worden. Und die Trierer, die haben auch alle Ausgaben gesperrt, sodass die hier nicht kopiert werden können.

˃ Och ja,

Ja, nicht möglich. Ist die Sperre drin. Wenn kopiert werden soll, dann musste der Nicolay von Trier kommen und mit besonderen Sicherungen kommt der dann wieder dran.

˃ An den Pfarr-Computer.

Hier in dem Computer ist sie ja drin, und wenn was kopiert werden soll, oder rausgekommen werden soll an einen anderen Computer, holte er einen besonderen Stift oder kleinen Apparat, den schraubte er hinten dran.

˃ So ein Dongle.

Ja, damit geht es dann. Aber sonst, ich selber kann nichts machen. Nix zu machen. Ich kann bei geben, das ist klar, aber nicht raus lesen. Lesen schon, aber nicht kopieren. Nein, weder drucken noch kopieren noch sonst was. Was drin ist, ist drin. Schluss, Ende.

Da gibt es ja auch eine besondere Benutzungsordnung für die Pfarrbüchereien. Das da noch lange nicht jeder machen kann, was er will. Das geht nicht, zum Beispiel hier, die dürfen nicht rausgegeben werden, Bestandslisten. Wenn einer im Pfarrarchiv nachsehen will, dann muss er exakt begründen, warum, wieso weshalb. Das ist übrigens in jedem Archiv so, ob ich ins Landeshauptarchiv gehe und ins Koblenzer Stadtarchiv oder nach Hessen ins Hauptstaatsarchiv. Überall sind Bestandsordnungen. Du musst Zettel ausfüllen, wofür du das brauchst. Das ist im Grunde nichts Neues.

Alte Schriften

˃ Wie kommst du denn mit den alten Schriften zurecht?

Relativ gut. Also bis, sagen wir mal, 1600 macht wenig Schwierigkeiten. Wenn es einigermaßen geschrieben ist. Wenn ich dann denke an den Bürgermeister von … Andererseits gibt es auch Schriften, die sind so gestochen fein, dass wiederum die vor den Augen verschwimmen. Das ist ganz unterschiedlich, aber je höher das Amt ist, desto besser die Schrift.

˃ Tatsächlich?

Tatsächlich, ja. Je höher die ist vom Ministerium, ganz toll. Der Bürgermeister, ja. Warum? Ich weiß es nicht. Es ist nur mal einfach so.

˃ Die Ministerien die hatten spezielle Schreiber. Und der Bürgermeister musste selber schreiben.

Ja, du hast recht, das ist die Erklärung. Und die hatten ja wenig Zeit, da ist auch viel gefummelt wurden.


˃ War noch irgendwas, was ich wissen wollte? Kolpingfamilie haben wir. Metzgerei haben wir. Pfarrarchiv haben wir. Was wir noch nicht haben …

Das ist die Auswahl an Schriften.

˃ Dein neuestes Werk, an dem du im Moment beschäftigt bist, Extraktenbuch.

Ja. Zum Beispiel. Extraktenbuch von 1719 von Horchheim. Hat mich Dr. Flach drangesetzt. Das waren dann, sagen wir mal 1000 und ziemlich genau 30 Seiten handgeschrieben. Die von 1719, das geht noch relativ gut zu lesen, wenn es einigermaßen geschrieben ist. Es sind natürlich einzelne Wörter dabei, da muss man schon mal überlegen, was ist damit gemeint? Also im Zusammenhang kann man sich dann auch retten, und man muss Buchstabe für Buchstabe nachsehen. Wie war das R, wie ist das R geschrieben? Dann ist das großartig mit Schwung, die Anfangsbuchstaben, das die nächsten Zeilen noch mit reinrutschen, dass das manchmal verwirrend ist.

Aber immerhin, das habe ich dann alles in den Computer übertragen. Musste alles nachrechnen. Das waren dann die trierischen Maße, und dann muss es umgerechnet werden auf das allgemeine preußische Maß. Das ist relativ einfach, wenn man den richtigen Ansatz hat. Ich habe erst den richtigen Ansatz nicht gehabt und musste alles noch mal neu rechnen. War ein Denkfehler. 16er, nicht 12er, eine Rute hat 16. Hier ist ja der Anfang schon drin. Das ist das Grundmuster, um alles auszurechnen. Anders geht das ja gar nicht. Die Grundlage musst du erst haben, dann musst du auch erst überlegen, wie mache ich das? Landmaß, neues Landmaß wie der Morgen mit 160 Ruten, die Rute zu 16 Schuh, und die Schuh mit zwölf Zoll gerechnet.

Ausgabe 2007

˃ 2007, das ist die neueste Ausgabe.

Ja, immer wieder musst du nachsehen. Und immer wieder haben sich wieder Fehler eingeschlichen. Und dann werden sie korrigiert, musst du wieder neu rausholen, nützt alles nichts. Muss ja klappen. Und da sind auch schon Fehler in ihren Berechnungen von früher festgestellt worden. Das waren 398.000, haben die selber gezählt, ich komme auf 402.000 Reben. Und wenn jetzt, das ist noch nicht das Schlimmste, wenn du jetzt die Klassen gezählt hast, da war wieder eine andere Zahl. Erste, zweite, dritte Klasse bei Wein und vier Klassen bei Bodenbewertungen. Und die hat schon wiederum nicht gestimmt mit der Zahl untereinander. Die waren wenig zu wenig, ähnlich wie sie heute sind. Denn eins war klar, das wurde zur Besteuerung herangezogen.

Und da haben die natürlich auch gemerkt, Holzauge, sei wachsam, gell. Und dann ist der Ertrag auch berechnet worden. Nun war man da so, dass man gesagt hat, verschiedene Jahre sind ja da, einmal viel Ertrag, einmal wenig Ertrag, so ist das alles gemittelt worden. Nun waren ja keine Unterlagen da. Wer hat das schon aufgeschrieben? Muss halt so geteilt werden.
Und da wurden Leute geholt aus dem untersten Stand, aus dem Mittelstand, und aus dem höchsten Stand. Warum? Weil die alle drei sich untereinander nicht grün waren, hat die Sache einigermaßen hingehauen. Clever waren die schon, die Brüder.

Word

Ja, und da bin ich jetzt noch dran. Im Grunde ist es durchgesehen. Immer wieder kommen wieder Ergänzungen dazwischen. Ja, und dann, die Krux sind ja die Endnoten, die Fußnoten und ein Automatismus, der gehen sollte, geht nicht.

˃ Mit was schreibst du denn, mit Word?

Mit Word. Ist kein Automatismus drin. Ich habe noch keinen gefunden, der einem gesagt hat, das klappt.

˃ Hm, bin ich noch gar nicht draufgekommen.

Doch, hat mich zu Verzweiflung schon gebracht.

˃ Das kann ich mir vorstellen.

Nun habe ich das einfacher gemacht und habe zwei Listen gemacht. Einmal die Anmerkungen, die Fußnote extra gesagt, und das, was im Text steht, wieder extra. Wenn ich dann jetzt in den Anmerkungen ändere, statt 97 kommt 98, dann ändert sich ja alles hinterher, gell. Und dann muss ich ja immer wieder neu umsetzen. Geht nicht anders. Löschen und neu eingeben.

˃ In der Situation war ich noch nicht. Ich habe im Moment das Buch von dem Roth, von dem Pastor Roth, in der Bearbeitung. Und das waren 10, 15 Seiten, habe ich schon … aber das mit den Fußnoten funktioniert recht gut, aber ich brauch ja keine ändern.

Ja. Das ist das. Alle die mit Fußnoten gearbeitet haben, alle meine Söhne und Töchter schütteln nur den Kopf. Word und Fußnoten, das ist ein Graus. Es klappt einfach nicht. Und der Karlheinz, der hat viel damit zu tun. Marlene, Marlene weniger, aber Carola, und der Thomas, alle kamen sie nicht in Fußnote und Word haut nicht hin. Ist unverständlich, aber es ist nun mal so.


˃ Hans, hast du weitere Pläne? Schreibpläne?

Eigentlich nein.

˃ Eigentlich nein.

Eigentlich nein. Ja, was gibt es an typischer Ortsgeschichte, bleibt man auf dem Laufenden, das ist klar, gell.

˃ Wir hatten neulich eine Frage, und da habe ich gesagt, musst du den Hans Lehnet fragen. Ich weiß nicht, ob er gefragt hat. Ich weiß auch nicht mehr, worum es ging.

Ich wüsste auch nicht, wer jemals gefragt hat.

˃ Dann war es ihm nicht wichtig genug.

Ja, wahrscheinlich. Irgendwie kommen immer wieder meist Auswärtige, die anfragen. Wie ist es hier, zum Beispiel, kommt von Berlin, ja, paarmal hier gewesen und hat mir als Dankeschön, was selten vorkommt …

˃ Och ja.

Er hat meine volle Widmung dabei geschrieben. So, hier hat er.

Ja, was ich sonst noch mache? Muss auch einmal zur Ruhe kommen. Man ist nicht wild hinterher, so ist es nicht. Aber wenn was ist, dann macht man es eben.

˃ Ja. Hans, dann sage ich dir ganz herzlichen Dank, dass du dich zur Verfügung gestellt hast und erzählt hast. Und ich probiere dir dann auch, eine Kopie zu machen.


In seinem Werk „Horchheimer Alltag zu Beginn des 18. Jahrhunderts“ bietet Hans Lehnet einen fundierten Einblick in das Dorfleben von Horchheim im Jahr 1719. Basierend auf den Aufzeichnungen des kurtrierischen Lagerbuchs, schildert Lehnet detailliert die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen dieser Zeit. Er beleuchtet die Auswirkungen der „Türkensteuer“ und die Bedeutung von Landwirtschaft und Weinbau für die Dorfbewohner.

Das Buch beschreibt die enge Gemeinschaft und die Traditionen, die das Leben in Horchheim prägten, sowie die Herausforderungen, die durch rudimentäre medizinische Versorgung und lokale Gerichtsbarkeiten entstanden. Die sorgfältige Auswertung der Flurbücher ermöglicht einen tiefen Einblick in die Besitzverhältnisse und das tägliche Leben unserer Vorfahren.

Hans Lehnet schafft es, durch seine akribische Recherche und die Ergänzung um historische Zusammenhänge ein anschauliches Bild des damaligen Dorflebens zu zeichnen. Seine Arbeit wird durch die kritische Begleitung von Dr. Dietmar Flach unterstützt und bietet somit eine wertvolle Ressource für alle, die sich für die Geschichte Horchheims interessieren.

Interessierte Leser können Stand 2024 noch etwa 20 originalverpackte Exemplare des Buches im Ortsmuseum der Heimatfreunde Horchheim gegen eine Spende erhalten.


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