Horchheim lädt zur Reise in die Vergangenheit ein
Mit Helmut Mandt von den Heimatfreunden werden Objekte im Ortsmuseum lebendig
Rhein-Zeitung vom 10. September 2021 | Redakteurin: Katrin Steinert | Foto: Katrin Steinert
Der Einheimische Helmut Mandt ist in Horchheim aufgewachsen und kann einiges aus dem Ort berichten. Hier steht er vor einer Bildkopie, die den Eisenbahntunnel als Zufluchtsstätte im Zweiten Weltkrieg zeigt, was er selbst erlebt hat. Dass Koblenz durch einen Horchheimer zur Großstadt wurde, zeigt ein Foto mit dem 100.000. Schängel (oben, rechts). Daneben steht eine der unzähligen Prozessionsfiguren, die dem Museum zugetragen wurden. Das Schild unten rechts steht für den Wegfall einer Bahnverbindung für die Horchheimer. Ende Mai 1988 waren die Einheimischen abgehängt.
Horchheim. Wer das Ortsmuseum der Heimatfreunde Horchheim besuchen will, lässt sich dabei am besten von jemandem begleiten, der hier aufgewachsen ist und viel zu den Fotos und Ausstellungsstücken erzählen kann. Helmut Mandt ist so einer. Der 86-Jährige stammt aus dem Ort und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Museums. Er wurde von der Vorsitzenden der Heimatfreunde, Gertrud Block, ausgesucht, um uns durch die Ausstellungsräume zu führen. Ein Glücksgriff. Mandt kennt nicht nur viele Geschichten, sondern hat auch einiges erlebt.
Das wird klar, als er beim Rundgang im Obergeschoss vor einem DIN-A 3-großen Bild stehen bleibt. Es zeigt eine Ansammlung von Menschen im Horchheimer Eisenbahntunnel. In einer Mauernische sitzen Kinder auf einem Sofa, weit im Hintergrund ist eine Dampflok zu sehen. Mandt erzählt: „Wir hatten keinen Bunker in Horchheim und waren alle im Krieg im Tunnel.“ Er selbst war gerade zehn Jahre alt, als die Sirenen heulten: Fliegeralarm. Mit seiner Mutter und einem Köfferchen eilte er über die Bächelstraße ins schützende Bauwerk – wie Hunderte andere. „Auch Militärfahrzeuge wurden dort abgestellt, um sie vor den Angriffen zu schützen. „Für uns Kinder war es toll, darauf rumzuklettern“, sagt Mandt und grinst spitzbübisch. Das Bild, das hier hängt, ist eine Farbkopie. Das Original des Horchheimer Malers Alfred Erich Euchler (1888–1968), der später in Andernach und Mayen wirkte, hängt im Eifeler Landschaftsmuseum in der Mayener Genovevaburg.
Dass es heute überhaupt dieses Museum in Horchheim gibt, liegt an den Heimatfreunden. Damals gab es Einheimische, die am Ortsgeschehen interessiert waren und die Idee hatten, Historisches zu erhalten, berichtet Mandt. Das sprach sich rum, und so wurde der Verein 1991 gegründet. Mandt wurde zum Schatzmeister gewählt. „Dann haben wir eine Basisstation gesucht.“ Die fand der Verein in einem Raum der Grundschule. „Unser erstes Ausstellungsstück war eine gelbe Telefonzelle“, erinnert sich der 86-Jährige. Sie wurde in der Schulaula aufgestellt und mit Bildern von Horchheim bestückt. Mandt erklärt: „Wir wollten Schülern zeigen, dass es uns gibt.“ Bis zum eigenen Heimatmuseum dauerte es dann nicht mehr lang. Dem Verein wurde ein uraltes Haus in der Alte Heerstraße 14 angeboten. „Man überließ es uns mietfrei, aber die Auflage war, es zu versichern.“ Später konnte es durch Mitgliedsbeiträge und Spenden gekauft werden.
„Wir haben es mit großer Eigenleistung und viel Manpower so hergerichtet, dass wir es als Museum nutzen konnten“, sagt Mandt und fügt augenzwinkernd hinzu: „Da waren wir alle auch 30 Jahre jünger.“ Den Grundstock des Museums kann man heute noch im Obergeschoss anschauen: Zig Bilder auf Stellwänden nach Kategorien geordnet – etwa Kirchen, Vereine, Persönlichkeiten. Zusammengetragen wurden sie von dem Horchheimer Heinrich Fischer, um sie auf Pfarrfesten auszustellen. „Die Familie stellte uns die Bilder von Fischer zur Verfügung“, erzählt Mandt dankbar.
Vieles, was man im Museum sehen kann, entstammt früheren Haushalten oder Firmen. Umtriebigen Mitgliedern ist es zu verdanken, dass ein Stück des alten Horchheims hier aufbewahrt wird. „Wir werden auch heute noch angerufen und gefragt: „Könnt ihr das gebrauchen?“, sagt Mandt. Sogar Grabungsfunde gibt es hier, weil aktive Mitglieder stets zur Stelle waren, wenn irgendwo der Boden aufgemacht wurde. So kam beim Neubau einer Mauer eine alte Leitung aus Ton zutage, die das bekannte Mendelssohn-Palais mit Wasser versorgte.
Einzug ins Museum fanden neben unzähligen Prozessionsfiguren und -kreuzen, die in Fenstern standen, auch Milchkannen, schicke alte Damenhüte, ein Auslieferungsfahrrad der Metzgerei Puth, die alte Kinokasse, eine alte Waschmaschine, das alte Bahnschild von 1988, das bekannt gab, dass ab dem 29. Mai 1988 der Bahnhaltepunkt „Horchheimer Brücke“ aufgehoben wird, ein Klavier aus dem Mendelssohn-Palais oder auch aussagekräftige Bilder von dem mehrfach ausgezeichneten Fotografen Karl-Heinz Melters.
Als Helmut Mandt am Ausgang ankommt, blättert er durch den Wandkalender. Den geben die Heimatfreunde jedes Jahr heraus. Mandt bleibt bei einem Bild hängen, das den Einsturz der Südbrücke am 10. November 1971 zeigt. Er selbst war 34 Jahre bei der Koblenzer Berufsfeuerwehr im Einsatz, so auch an diesem Tag als Taucher. „Wir sind um 14:20 Uhr ausgerückt“, weiß der 86-Jährige noch genau: „Aber das ist eine andere Geschichte“, sagt Mandt zum Abschied.
Artikel aus der Rhein-Zeitung von Freitag, 10. September 2021