Ein Jahrhundert Horchheim im O-Ton: Die Geschichten der Zeitzeugen

Die Heimatfreunde Horchheim haben mit der Veröffentlichung einer Sammlung von Tonaufnahmen ein neues Kapitel der lokalen Geschichtsforschung aufgeschlagen. Die Interviews, die der damalige Vorstand zwischen 2000 und 2008 im Rahmen eines sogenannten Oral-History-Projekts aufgezeichnet hat, zeigen das Leben in Horchheim im 20. Jahrhundert aus persönlicher Sicht. In der Rubrik „Erzählte Geschichte“ auf ihrer Website stehen diese Aufnahmen nun für interessierte Hörer bereit.

Einblicke in die Lebenswelt vergangener Generationen

Die Interviews geben Einblicke in zentrale Themen der Horchheimer Ortsgeschichte: die Jugendzeit der Befragten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Erlebnisse in den Kriegsjahren und die Herausforderungen und Erfolge im Berufsleben. Namen wie Ewald Fischbach, Werner Wiemers und Jule Lay stehen stellvertretend für viele, die ihre Erinnerungen an eine bewegte Zeit teilten. Diese persönlichen Zeugnisse helfen zu verstehen, wie historische Ereignisse auf lokaler Ebene wirkten.

Die Methode: Oral History als wissenschaftliches Werkzeug

Oral History, ein etabliertes Verfahren der Geschichtswissenschaft, dokumentiert nicht nur historische Fakten, sondern auch die subjektiven Wahrnehmungen und Gefühle der Zeitzeugen. Die in Horchheim aufgezeichneten Gespräche zeichnen sich durch ihren Fokus auf individuelle Erlebnisse aus, die die soziale und kulturelle Geschichte des Ortes veranschaulichen. Diese Methode ermöglicht es, die Vergangenheit aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und neue Perspektiven auf bekannte Ereignisse zu gewinnen.

Technik und Umsetzung

Aufgezeichnet wurden die Gespräche mithilfe eines Aiwa Minidisc Recorders (AM-F65), einer damals fortschrittlichen Technologie, die qualitativ hochwertige Audioaufnahmen erlaubte. Die Aufnahmen fanden sowohl vor Ort in Horchheim als auch in der „Gut Stuff“ des Ortsmuseums der Heimatfreunde statt. Insgesamt entstanden etwa 25 Stunden Audiomaterial, das vom damaligen Vorstand der Heimatfreunde Joachim Hof, Hans Lehnet, Helmut Mandt und Robert Stoll zusammengestellt wurde. Dank der Unterstützung von Mechthild Hof, die den originalen Recorder zur Verfügung stellte, konnten diese Tondokumente nun überspielt und für die Nachwelt erhalten werden.

Themen der Interviews

Die Gespräche decken ein breites Spektrum von Themen ab:

  • Jugendjahre in Horchheim: Von Dorffesten und Alltagsbräuchen bis hin zu den Herausforderungen des Alltags in der Vorkriegszeit.
  • Kriegsjahre: Die Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs, darunter Evakuierungen, Bombardierungen und die Rückkehr zum Wiederaufbau.
  • Berufsleben: Einblicke in traditionelle Handwerke, Landwirtschaft, und die sich wandelnde Arbeitswelt in Horchheim im Laufe des Jahrhunderts.

Erzählte Geschichte: Eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Die Aufnahmen sind weit mehr als historische Quellen; sie sind lebendige Zeugnisse, die Emotionen, Dialekte und die persönliche Färbung der Berichte bewahren. Dies macht sie zu einer unschätzbaren Ressource für die Ortsgeschichte. Zugleich werfen sie methodische Fragen auf: Wie objektiv kann Geschichte sein, wenn sie aus subjektiven Erinnerungen besteht? Welche Rolle spielt die mündliche Überlieferung in einer zunehmend digitalisierten Welt?

Zugang und Nutzung

Die Interviews können online auf der Website hearthis.at im Profil der Heimatfreunde Horchheim angehört werden.

https://hearthis.at/heimatfreunde-horchheim

Aus urheberrechtlichen Gründen sind die Aufnahmen in erster Linie für die museale Präsentation vorgesehen. Interessenten werden gebeten, sich für weitergehende Nutzungsanfragen direkt an die Heimatfreunde Horchheim zu wenden.

Mit diesem Projekt leisten die Heimatfreunde Horchheim einen Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes und eröffnen eine lebendige Perspektive auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die „erzählte Geschichte“ schafft so eine Brücke zwischen den Erfahrungen früherer Generationen und den Fragestellungen der Gegenwart.



Begriff Oral History

Der Begriff Oral History entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA und beschreibt eine Methode der Geschichtswissenschaft, die auf mündlichen Zeitzeugenberichten basiert. Die Ursprünge des Begriffs und der Methode lassen sich auf die Einführung tragbarer Aufnahmegeräte und das gestiegene Interesse an der sozialen und kulturellen Geschichte zurückführen.

Historischer Ursprung des Begriffs

Erste Verwendung: Der Begriff wurde in den 1940er Jahren durch den US-amerikanischen Historiker Allan Nevins an der Columbia University geprägt. Nevins war ein Pionier der Oral History und initiierte 1948 das „Columbia Center for Oral History Research“, das erste institutionalisierte Oral-History-Projekt.

Technologische Basis: Die Verfügbarkeit tragbarer Tonbandgeräte in den 1940er und 1950er Jahren machte es möglich, mündliche Überlieferungen systematisch und in hoher Qualität aufzuzeichnen. Dies ermöglichte es Historikern, Stimmen und Geschichten einzufangen, die zuvor nur schwer dokumentierbar waren.

Entwicklung der Methode

Fokus auf soziale Geschichte: In den 1960er und 1970er Jahren erlebte die Oral History einen Aufschwung, da sie sich als Methode eignete, die Geschichte marginalisierter oder unterrepräsentierter Gruppen zu dokumentieren. Arbeiter, Frauen, ethnische Minderheiten und andere Gruppen fanden durch diese Methode eine Stimme in der Geschichtsschreibung.

Kritische Reflexion: Mit der Etablierung der Methode kam es auch zu Kritik. Historiker wie Lutz Niethammer in Deutschland wiesen darauf hin, dass mündliche Berichte oft subjektiv und selektiv sind, wodurch sie eine kritische Quellenanalyse erfordern. Niethammer bezeichnete den Begriff als „unglückliches, aber öffentlichkeitswirksames Schlagwort“, da er sowohl die Methode als auch das Ergebnis beschreibt.

Etablierung und heutige Bedeutung

Internationalisierung: In den Jahrzehnten nach ihrer Einführung wurde die Oral History auch außerhalb der USA zunehmend genutzt, etwa in Großbritannien, Deutschland und Italien. Der englische Begriff hat sich international durchgesetzt, obwohl in einigen Sprachen auch Übersetzungen wie „mündliche Geschichte“ oder „erzählte Geschichte“ verwendet werden.

Erweiterung des Geschichtsverständnisses: Oral History hat das Geschichtsverständnis grundlegend verändert, indem sie zeigte, dass Geschichte nicht nur aus großen Ereignissen und „offiziellen“ Dokumenten besteht, sondern auch aus den individuellen Erfahrungen und Erzählungen von Menschen.

Fazit

Der Begriff Oral History ist ein Produkt des Zusammenspiels von technologischer Innovation, gesellschaftlichem Wandel und einem neuen Verständnis von Geschichte. Obwohl er weiterhin diskutiert wird, hat sich die Methode als wertvolles Werkzeug etabliert, um die Vielfalt und Komplexität menschlicher Erfahrungen zu dokumentieren.

Text und Fotos: Andreas Weber

Zum Gedenken an Helmut Mandt

 

 

 

 

 

Er war Hoschemer Urgestein, fest verbunden mit seinem geliebten Heimatort.

Geboren wurde er am 22. März 1935 in Horchheim. In der Bächelstraße 52 wuchs er auf, lebte dort bis zu seinem überraschenden Tod am 09.10.2024. Helmut besuchte, mit kurzer Unterbrechung bedingt durch die Wirren des Weltkriegs, die hiesige Volksschule bis zum Abschluss. Im Anschluss folgte eine Lehre bei der Deutschen Post als Kfz-Mechaniker. 1961 wechselte er zur Berufsfeuerwehr, ein Schritt den er, wie er immer in Gesprächen äußerte, nie bereute. Er war mit großer Leidenschaft Feuerwehrmann. Er unterzog sich hier verschiedenen Spezialausbildungen. So war er auch ausgebildeter Rettungstaucher. Beim Einsturz der in Bau befindlichen Südbrücke im November 1971 war er als Taucher eingesetzt.

Im Dezember 1962 heiratete er Rosemarie Bötzel. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor. Im April 1978 verstarb seine Ehefrau. Drei Jahre später ehelichte er Monika Reis, die ihm zwei Söhne schenkte. Diese Ehe wurde 10 Jahre später geschieden. Helmut war begeisterter Opa. Stolz und voller Freude erzählte er von seinen beiden Enkelchen.

Wenn man Helmut besuchen wollte und er nicht in seiner Wohnung anzutreffen war, so fand man ihn fast immer in seinem großen Garten. Diesen bestellte er mit großer Hingabe bis zu seinem plötzlichen Tod. Selbst im hohen Alter kletterte er noch auf seine Obstbäume und beschnitt diese in atemberaubender Höhe. Am Schluss der Laudatio im Kirmes-Magazin anlässlich seines 80. Geburtstags ist zu lesen: „… der liebe Gott möge Dich noch viele Jahre in Deinem Garten werkeln lassen, er möge Dir aber auch die Weisheit des Alters schenken und Dich überzeugen, nicht mehr auf die Bäume zu klettern.“

Daneben fand er immer Zeit, sich in seinem geliebten Horchheim einzubringen: 1958 war er einer der Gründungsmitglieder des BBC, in den 1970er Jahren gehörte Helmut mehrere Jahre dem geschäftsführenden Vorstand an. 1991 hob er den Verein der „Heimatfreunde“ mit aus der Taufe. In den ersten 20 Jahren hatte er das Amt des Schatzmeisters und viele Jahre das des 2. Vorsitzenden inne. Bis zu seinem Tod war er Beisitzer, unterstützte den Verein tatkräftig und unermüdlich: Er trug die Vereinsmitteilungen aus, verkaufte die Jahreskalender, machte das Museum „winterfest“ und sorgte immer für den Blumenschmuck am Museum. Bei den schon zur Tradition gewordenen Veranstaltungen „Liebenswertes Horchheim“ war er wortgewaltiger und sachkundiger Moderator.

Eine Würdigung Helmuts bliebe unvollständig, ohne einen fundamentalen Eckpfeiler seiner Lebensgestaltung zu erwähnen: Seine unerschütterliche Bindung an die Glaubenslehre der katholischen Kirche. Von früher Kindheit an war er Mitglied in der „Katholischen Jugend“ und dann als Jugendlicher Gruppenführer. Er engagierte sich in den verschiedensten Gremien seiner Pfarrgemeinde St. Maximin. Er war überzeugtes, aber auch kritisches, praktizierendes Mitglied in der katholischen Kirche.

Mit seinem Tod hat Horchheim einen tatkräftigen und liebenswerten Mitmenschen verloren, der sich um seinen Heimatort in höchstem Maß verdient gemacht hat. Wir werden ihn sehr vermissen und wir werden uns immer mit Freude an ihn und sein Wirken erinnern und ihn in unseren Herzen bewahren.

Chapeau und vielen Dank Helmut Mandt!

Klaus-Peter Baulig


Photo Helmut Mandt © Achim Friederich

1. Horchheimer Weihnachtstreff mit Besuch im Heimatmuseum

Am 9. und 10. Dezember fand in Horchheim der erste Hoschemer Weihnachtstreff statt. Dieser wurde vom Förderverein des FC Horchheim und den örtlichen Vereinen organisiert. Neben einer bunten Mischung aus Verkaufsständen gab es ein unterhaltsames Rahmenprogramm mit Gesang, Nikolausbesuch und Spielmannszug auf dem Platz vor dem Schützenheim. Die Heimatfreunde Horchheim boten den Besuchern eine Einladung der besonderen Art: eine Führung durch das örtliche Heimatmuseum. Das Museum präsentiert auf zwei Etagen einen reichen Schatz an Horchheimer Geschichte und spiegelt das jahrelange Engagement der Heimatfreunde wider, die diese Sammlung liebevoll zusammengetragen haben.

Am Samstag öffnete das Heimatmuseum von 15 bis 18 Uhr seine Pforten für neugierige Gäste. Neben einer Führung durch die verschiedenen Räume des Museums erwartete die Besucher Weihnachtsgebäck und duftender Kaffee. Der begehrte Jahreskalender 2024 mit dem Thema ‚Bilder aus Horchheim‘ konnte käuflich erworben werden. Die beiden Vorsitzenden Gertrud Frosch und Mechthild Hof hatten Tage vorher die Museumsräume in eine weihnachtliche Oase verwandelt.

Die Führung durch das Museum bot einen eindrucksvollen Einblick in die Horchheimer Ortsgeschichte. Beginnend im Empfangszimmer und weiter durch das Mendelssohn-Zimmer mit zahlreichen Fotos und Objekten, Übersichtskarten und archäologischen Funden aus vergangenen Epochen, bot das Museum ein breites Spektrum an Informationen. Besonders interessant waren die Bildergalerien sowie die Räume mit landwirtschaftlichen Geräten, alten Werkzeugen und historischen Küchenutensilien. Besucher des Heimatmuseums, die von Helmut Mandt, einem Horchheimer Urgestein und Gründungsmitglied, durch die Räume geführt wurden, konnten aus erster Hand viel Wissenswertes über die Ortsgeschichte von Horchheim erfahren.

Das Museum hatte besondere Gäste zu Besuch: Karin Klinke, Leiterin des Kinderballetts des Horchheimer Carnevalvereins, war zum ersten Mal im Heimatmuseum und wurde von Gertrud Frosch durch das Museum geführt. Außerdem waren Herr Jörg Ecker von der Weinbruderschaft Breyer Hämmchen e.V. und Frau Carola Witt, Tochter von Hans Lehnet, anwesend, die sich über den Kalender 2024 der Heimatfreunde Horchheim freute. Herr Karl Kröck berichtete über seine Beziehung zu Horchheim und las spontan Kostproben seiner Texte vor. Er war extra aus Heuchelheim bei Gießen angereist.

Beim weihnachtlichen Beisammensein auf dem Gelände der Schützenhalle wurden Glühwein mit Schuss und leckere Krebbelcher mit Apfelmus genossen. Trotz des regnerischen Wetters war der Platz gut besucht, es gab schöne Stände und eine angenehme Atmosphäre. Der Nikolaus stattete dem Fest einen Besuch ab und die Veranstaltung war rundum gelungen – ein toller Auftakt für den 1. Horchheimer Weihnachtstreff!


Der Vorstand der Heimatfreunde Horchheim e.V. wünscht allen Mitgliedern und ihren Familien frohe Weihnachten und ein gesundes sowie glückliches neues Jahr 2024.

Das Gedicht „Das Friedenslicht“ betont die universelle Botschaft von Weihnachten. Es ruft zur Eintracht und zum gemeinsamen Einsatz für Frieden auf, unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Status.

Das Friedenslicht

In Bethlehem entzündet, gereicht von Kinderhand,
beginnt es seine Reise und zieht von Land zu Land.
Es trägt die Weihnachtsbotschaft hinaus in alle Welt,
wo sie als Hoffnungsschimmer in Menschenherzen fällt.
Das Friedenslicht beschwört uns:
Nehmt euren Auftrag an!
Begegnet euch in Freundschaft, dass Frieden werden kann.
Ob Muslim, Jude oder Christ ist hier nicht von Belang.
Zeigt euren guten Willen und zieht an einem Strang.
Es zählt nicht Rang, noch Herkunft, nicht Ruhm und auch nicht Geld,
was zählt ist unser Einsatz für Eintracht in der Welt.
Das Licht zieht weite Kreise, es wirbt für Einigkeit.
Wenn Menschen sich verbünden,
ist Frieden nicht mehr weit.

Unbekannter Verfasser

Sie können das gedruckte Weihnachtsblättchen der Heimatfreunde als PDF-Datei hier herunterladen:

Horchheim Quer Beet

Bilderschau in der Schützenhalle

Sonntag, 5. November 2023 | Die Bilderschau der Heimatfreunde Horchheim war ein voller Erfolg und begeisterte zahlreiche Besucher. Das Programm bot eine faszinierende Reise durch die Geschichte und Vielfalt Horchheims:

Der Nachmittag begann um 15 Uhr mit einem spannenden Vorprogramm. Die Vorführung des Films „Horchheimer Facetten“ aus dem Jahr 2014 eröffnete die Veranstaltung, gefolgt von einer herzlichen Begrüßung durch Gertrud Frosch und einer charmanten Moderation durch Jopa Schmidt.

Im weiteren Programm stellten die Heimatfreunde Horchheim ihre Webseite www.heimatfreunde-horchheim.de vor. Heiner Drumm erläuterte die Konzeption der Homepage und präsentierte zusammen mit Andreas Weber einen spannenden Bericht über den Fund von Minidiscs mit Zeitzeugen-Interviews aus den Jahren 2000 bis 2008.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war zweifellos der Programmpunkt über die Straßenbahn in Horchheim. Helmut Mandt und Heiner Drumm führten durch eine Bilderserie mit Aufnahmen aus Horchheim und Koblenz, begleitet von interessanten Kommentaren.

Nach diesem ersten Teil der Bilderschau gab es eine gemütliche Pause mit Kaffee und Kuchen, bevor es weiterging. Der Themenbereich Katholische Jugend KaJu beeindruckte mit Fotos aus den Jahren 1952 bis 1956 und einem aufschlussreichen Film über Korbball, der von Helmut Mandt kommentiert wurde.

Ein weiterer Höhepunkt war der von Heiner Drumm vorgetragene Reisebericht über Nepal. Dieser bewegende Bericht war mit einem Spendenaufruf verbunden.

Am Ende des Vortrages luden die Heimatfreunde herzlich zur Teilnahme an einer Führung durch das Heimatmuseum am 9. Dezember 2023 ein, die während des Weihnachtsmarktes ab 15 Uhr stattfinden wird.

Mit dem Aufruf zur aktiven Mitarbeit im Verein verabschiedete Gertrud Frosch die Besucher. Der Bildervortrag der Heimatfreunde Horchheim war ein wirklich bewegender und informativer Nachmittag, der den Blick auf die Geschichte und Kultur Horchheims erweiterte.


Photos © Achim Friederich 2023 – Alle Rechte vorbehalten
Text © Andreas Weber 2023

Reise in die Vergangenheit

Horchheim lädt zur Reise in die Vergangenheit ein

Mit Helmut Mandt von den Heimatfreunden werden Objekte im Ortsmuseum lebendig

Rhein-Zeitung vom 10. September 2021 | Redakteurin: Katrin Steinert | Foto: Katrin Steinert

Der Einheimische Helmut Mandt ist in Horchheim aufgewachsen und kann einiges aus dem Ort berichten. Hier steht er vor einer Bildkopie, die den Eisenbahntunnel als Zufluchtsstätte im Zweiten Weltkrieg zeigt, was er selbst erlebt hat. Dass Koblenz durch einen Horchheimer zur Großstadt wurde, zeigt ein Foto mit dem 100.000. Schängel (oben, rechts). Daneben steht eine der unzähligen Prozessionsfiguren, die dem Museum zugetragen wurden. Das Schild unten rechts steht für den Wegfall einer Bahnverbindung für die Horchheimer. Ende Mai 1988 waren die Einheimischen abgehängt.

Horchheim. Wer das Ortsmuseum der Heimatfreunde Horchheim besuchen will, lässt sich dabei am besten von jemandem begleiten, der hier aufgewachsen ist und viel zu den Fotos und Ausstellungsstücken erzählen kann. Helmut Mandt ist so einer. Der 86-Jährige stammt aus dem Ort und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Museums. Er wurde von der Vorsitzenden der Heimatfreunde, Gertrud Block, ausgesucht, um uns durch die Ausstellungsräume zu führen. Ein Glücksgriff. Mandt kennt nicht nur viele Geschichten, sondern hat auch einiges erlebt.

Das wird klar, als er beim Rundgang im Obergeschoss vor einem DIN-A 3-großen Bild stehen bleibt. Es zeigt eine Ansammlung von Menschen im Horchheimer Eisenbahntunnel. In einer Mauernische sitzen Kinder auf einem Sofa, weit im Hintergrund ist eine Dampflok zu sehen. Mandt erzählt: „Wir hatten keinen Bunker in Horchheim und waren alle im Krieg im Tunnel.“ Er selbst war gerade zehn Jahre alt, als die Sirenen heulten: Fliegeralarm. Mit seiner Mutter und einem Köfferchen eilte er über die Bächelstraße ins schützende Bauwerk – wie Hunderte andere. „Auch Militärfahrzeuge wurden dort abgestellt, um sie vor den Angriffen zu schützen. „Für uns Kinder war es toll, darauf rumzuklettern“, sagt Mandt und grinst spitzbübisch. Das Bild, das hier hängt, ist eine Farbkopie. Das Original des Horchheimer Malers Alfred Erich Euchler (1888–1968), der später in Andernach und Mayen wirkte, hängt im Eifeler Landschaftsmuseum in der Mayener Genovevaburg.

Dass es heute überhaupt dieses Museum in Horchheim gibt, liegt an den Heimatfreunden. Damals gab es Einheimische, die am Ortsgeschehen interessiert waren und die Idee hatten, Historisches zu erhalten, berichtet Mandt. Das sprach sich rum, und so wurde der Verein 1991 gegründet. Mandt wurde zum Schatzmeister gewählt. „Dann haben wir eine Basisstation gesucht.“ Die fand der Verein in einem Raum der Grundschule. „Unser erstes Ausstellungsstück war eine gelbe Telefonzelle“, erinnert sich der 86-Jährige. Sie wurde in der Schulaula aufgestellt und mit Bildern von Horchheim bestückt. Mandt erklärt: „Wir wollten Schülern zeigen, dass es uns gibt.“ Bis zum eigenen Heimatmuseum dauerte es dann nicht mehr lang. Dem Verein wurde ein uraltes Haus in der Alte Heerstraße 14 angeboten. „Man überließ es uns mietfrei, aber die Auflage war, es zu versichern.“ Später konnte es durch Mitgliedsbeiträge und Spenden gekauft werden.

„Wir haben es mit großer Eigenleistung und viel Manpower so hergerichtet, dass wir es als Museum nutzen konnten“, sagt Mandt und fügt augenzwinkernd hinzu: „Da waren wir alle auch 30 Jahre jünger.“ Den Grundstock des Museums kann man heute noch im Obergeschoss anschauen: Zig Bilder auf Stellwänden nach Kategorien geordnet – etwa Kirchen, Vereine, Persönlichkeiten. Zusammengetragen wurden sie von dem Horchheimer Heinrich Fischer, um sie auf Pfarrfesten auszustellen. „Die Familie stellte uns die Bilder von Fischer zur Verfügung“, erzählt Mandt dankbar.

Vieles, was man im Museum sehen kann, entstammt früheren Haushalten oder Firmen. Umtriebigen Mitgliedern ist es zu verdanken, dass ein Stück des alten Horchheims hier aufbewahrt wird. „Wir werden auch heute noch angerufen und gefragt: „Könnt ihr das gebrauchen?“, sagt Mandt. Sogar Grabungsfunde gibt es hier, weil aktive Mitglieder stets zur Stelle waren, wenn irgendwo der Boden aufgemacht wurde. So kam beim Neubau einer Mauer eine alte Leitung aus Ton zutage, die das bekannte Mendelssohn-Palais mit Wasser versorgte.

Einzug ins Museum fanden neben unzähligen Prozessionsfiguren und -kreuzen, die in Fenstern standen, auch Milchkannen, schicke alte Damenhüte, ein Auslieferungsfahrrad der Metzgerei Puth, die alte Kinokasse, eine alte Waschmaschine, das alte Bahnschild von 1988, das bekannt gab, dass ab dem 29. Mai 1988 der Bahnhaltepunkt „Horchheimer Brücke“ aufgehoben wird, ein Klavier aus dem Mendelssohn-Palais oder auch aussagekräftige Bilder von dem mehrfach ausgezeichneten Fotografen Karl-Heinz Melters.

Als Helmut Mandt am Ausgang ankommt, blättert er durch den Wandkalender. Den geben die Heimatfreunde jedes Jahr heraus. Mandt bleibt bei einem Bild hängen, das den Einsturz der Südbrücke am 10. November 1971 zeigt. Er selbst war 34 Jahre bei der Koblenzer Berufsfeuerwehr im Einsatz, so auch an diesem Tag als Taucher. „Wir sind um 14:20 Uhr ausgerückt“, weiß der 86-Jährige noch genau: „Aber das ist eine andere Geschichte“, sagt Mandt zum Abschied.


Artikel aus der Rhein-Zeitung von Freitag, 10. September 2021